Die Carretera Austral
- Birgit & Gert Gölz
- 14. Feb. 2023
- 7 Min. Lesezeit
Über den kleinen Grenzübergang am Paso Roballo haben wir Argentinien verlassen. Wir werden später weiter im Norden wieder einreisen, trotzdem fühlen wir Wehmut beim Abschied. Wir haben wunderschöne Landschaften gesehen und wir sind immer wieder von den Socken über die ausgesprochene Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Argentinier.
Direkt nach dem chilenischen Grenzposten beginnt der Nationalpark Patagonia. Der Weg führt durch das Tal des Rio Chacabuco am Fluss entlang. Der Park ist schön am Besucherzentrum gibt es ein Museum, Guanakos weiden auf dem gepflegten Rasen und es gibt ein kleines Café mit leckeren Zimtschnecken und gutem WLAN.
Uns zieht es weiter auf die Carretera Austral.
Wir haben unzählige faszinierende Dokumentarfilme über die Straße und das Land durch das sie führt gesehen. Schon lange hegen wir den großer Traum irgendwann einmal hier zu reisen.
Jetzt sind wir fast da und sind aufgeregt wie kleine Kinder vor der Bescherung.
Für diejenigen die noch nichts von dieser Straße gehört haben einige Infos.
Austral hat übrigens mit Australien nichts zu tun, es bedeutet lediglich „ sich auf der südlichen Erdhalbkugel befindend“.
Früher endete für die meisten Chilenen ihr Land im Süden bei Puerto Montt. Das war aber erst die Hälfte des Landes, die südliche Hälfte, der chilenische Teil Patagoniens, war undurchdringlicher Urwald, hohe Berge und Sümpfe.Bis auf wenige Familien aus Zentralchile und Argentinien die hier durch Regierungsprogramme unterstützt, in den 1940er Jahren mit der Hoffnung auf eigenes Land ihr Glück suchten, lebte hier kein Mensch. Bis in die 1970er Jahre lebten die wenigen Siedler hier isoliert. Für sie war es einfacher nach Argentinien zu gelangen als in den Norden ihres Landes. Dann beschloss Präsident Pinochet entlang der argentinischen Grenze eine Straße bis an die Südspitze Chiles zu bauen. Fast 30 Jahre dauerte der Bau der jetzigen Carretera Austral. Mit ungeheurem Aufwand wurde die 1242 km lange Straße durch die Wildnis, in den Süden Chiles geschlagen. Heute ist sie Aufgrund ihrer Schönheit bei Naturfreunden aus aller Welt ein beliebtes Reiseziel.
So…..und jetzt sind auch wir hier für unser Abenteuer Carretera Austral.
Vom Nationalpark kommend biegen wir ab auf die Ruta 7, wie die Carretera auch genannt wird und blicken auf den tief im Tal leuchtend türkisfarbenen Rio Cochrane.
Auf der schmalen Schotterpiste herrscht reger Verkehr, das sind wir überhaupt nicht mehr gewohnt.
Kurz vor Cochrane ist eine Baustelle und wir stehen fast 2 Stunden im Stau. Für eine Verbreiterung der Straße werden Sprengungen durchgeführt.
Cochrane ist die letzte Möglichkeit zum Einkaufen und Geld abheben. Bis zu unserem Ziel, dem Ende der Carretera Austral in Villa O Higgins sind es fast 250 km Schotterpiste.
Als nächstes Steuern wir aber Caleta Tortel an, ein kleiner Ort am Meer der sehr schön sein soll. Wir haben uns dort mit Andrea und Günter, zwei Toyoreisende die wir in El Chalten kennengelernt hatten, verabredet.
Bis dorthin sind es 150 km, auf deutsche Straßen locker in zwei Stunden zu schaffen. Aber bei unserem Reisetempo und dem Zustand der Straße werden wir uns irgendwo einen schönen Übernachtungsplatz suchen. Den finden wir dann auch, zwar direkt neben der Straße aber in der Nacht ist die kaum befahren, oberhalb eines eines Wasserfalls. Der Blick von hier oben ins Tal ist umwerfend schön. In der Ferne leuchten die schneebedeckten Gipfel und in der Ebene mündet der hier tosende Fluss in einen See. Dazu noch ein filmreifer Sonnenuntergang, total kitschig aber auch total schön!
Ausgeruht machen wir uns dann am Morgen auf nach Tortel. Die kurvenreiche Straße bietet uns immer wieder faszinierende Ausblicke.
Wir fahren mal über Serpentinen über Berge durch dichte Wälder und dann an ausgedehnten Sümpfen vorbei. Die Flüsse schlängeln sich durch die Ebenen und die großen Felsen in den Flussbetten lassen uns ahnen mit welche Kraft das Wasser sich den Weg bahnt. Am Straßenrand wachsen hohe Farne und Fuchsien die fast vier Meter hoch sind.
Ab und zu kommen wir an kleinen Höfen vorbei. Ganz einfache Holzhütten aus dünnem Holz, nix isoliert oder Doppelglasfenster und das ist kalt und feucht hier,selbst jetzt im Sommer sind die Temperaturen oft nur einstellig.Vor manchen Häusern steht Kinderspielzeug. Wie geht das ? Schule ,Einkaufen...Freunde besuchen? Selbst das Land vorzubereiten um überhaupt zu wohnen oder Vieh zu halten muss eine Wahnsinns Arbeit sein. Bäume fällen, Stumpen raus,sonst wächst kein Gras, Haus bauen und irgendwie alles was dafür gebraucht wird hierher bringen. Wie schwer das sein muss zeigen auch viele aufgegebene, verfallene Hütten
Wieder einmal wird uns bewusst das, mal eben schnell einkaufen,Wasserhahn aufdrehen und warmes oder überhaupt Wasser läuft, Strom aus der Steckdose zuverlässig rund um die Uhr und so viele andere Annehmlichkeiten in unserer Welt, die wir für selbstverständlich halten, für viele Menschen unserer Erde nicht existieren.
Dann wiederum stellen wir uns die Frage ist unserer Konsum- und Leistungsgesellschaft wirklich für alle erstrebenswert ? Warum treffen wir so viele junge Menschen die aussteigen aus der Tretmühle, die schon mit noch nicht mal 40 Jahren das Gefühl haben krank zu werden wenn sie so weiter machen.
Irgendwann zweigt eine Piste ab Richtung Tortel. Das kleine ehemalige Holzfällerdorf liegt an einem Fjord. Die Häuser sind in den Hang gebaut und aufgrund des sumpfigen Bodens nur über Holzstege zu erreichen. Seit vor wenigen Jahren die Straße gebaut wurde haben auch Touristen dieses gemütliche Dörfchen entdeckt. Auf dem zentralen Parkplatz sehen wir schon den Toyota von Andrea und Günter. Wir schlendern über die kreuz und quer in den Hang gebauten Stege. Es gibt Restaurants, gemütliche Café's und kleine Geschäfte in denen kleine Schnitzarbeiten, Selbstgestricktes und pflanzengefärbte, handgesponnene Wolle verkauft wird. Eine Bücherei gibt es wie in jedem anderen Ort hier in Chile auch. Zurück auf dem Parkplatz sind da auch Sabine und Mike. Wie klein ist doch die Welt. Andrea und Günter fahren weiter, mit Sabine und Mike verbringen wir wieder einen plauschigen Abend. Die Beiden reisen am nächsten Tag weiter, wir nutzen das gute Wifi der Tankstelle um unseren Flug umzubuchen und mal wieder ausgiebig mit der Family zu telefonieren.
Dann machen wir uns auf nach Villa O Higgins, hier ist das bisherige Ende der Ruta 7.In Puerto Yungay einem Hafen mit 3 Häusern ist die Straße unterbrochen und wir setzen mit der Fähre über nach Rio Bravo. Das Schiff geht alle 2 Stunden. Zu und von der Fähre fahren die mitfahrenden Autos zielstrebig weiter Richtung Stadt, wenn der Konvoi vorbei ist bist du in der Wahnsinns Natur völlig allein. Hier gibt es nur die Straße und daneben unberührte Natur. Kein Flugzeug, kein Motorengeräusch, jedenfalls dann wenn unser Landy still steht.
Abends erreichen wir dann Villa O Higgins. Genau so stelle ich mir eine Stadt im wilden Westen vor. Am Ortseingang die Tankstelle, dann einige Saloons und der Gemischtwarenladen ach ja und ein Campingplatz. Der ist wichtig weil Gert einen ebenen Platz braucht. Durch die vielen Kilometer Schotter und richtig übler Wellblechpiste braucht unser Landy etwas Aufmerksamkeit.Das war auch höchste Eisenbahn denn es hatten sich einige Schrauben vom Getriebe gelöst, jedenfalls die, die nicht Gert beim Einbau festgeschraubt hatte. Phuu.. das hätte bös ausgehen können.
Nachdem der Landy wieder startklar ist und wir am nächsten Morgen gemütlich gefrühstückt haben geht es weiter, die restlichen 7 km, bis nach Puerto Bahamondes.. hier endet oder beginnt die Carretera Austral.
Ab jetzt liegen alle unsere Reiseziele weiter nördlich. Darauf freuen wir uns denn hier unten ist es ungemütlich kalt und es weht ein eisiger Wind.
An diesem Platz konnten wir nicht vorbei fahren, hier werden wir übernachten und weil am Fluss und endlich nicht mehr so trocken lassen wir den Abend gemütlich am Lagerfeuer ausklingen, genießen es hier zu sein ganz allein in dieser überwältigenden Natur. Da warme Duschen in freier Natur nur selten sind ist so ein Bad im eiskalten Fluss herzerfrischend.
Im Moor wird dieses Moos geerntet und getrocknet. Es speichert große Mengen Wasser und wirkt antibakteriell. Unter anderem wird es für die Kultur von Orchideen verwendet.
Immer wieder begegnen uns Radfahrer. Die Carretera komplett zu fahren scheint unter ihnen weltweit beliebt zu sein. Mir tun sie sehr leid wie sie sich bei Wind und Wetter über diese teils üblen Pisten quälen, bergauf und bergab völlig eingestaubt von vorbei fahrenden Autos und LKW `s. Oft schlafen sie in kleinen Zelten irgendwo am Wegrand. So richtig fröhliche Gesichter sehe ich bei keinem dieser Wagemutigen.
Und dann liegt vor uns im Graben ein Auto auf der Seite. Beim näherkommen erkennen wir Walter. Der war uns mit seinem Toyota und der schönen Kabine schon häufiger begegnet. Zum Glück ist er unverletzt. Jetzt gilt es das Auto irgendwie wieder auf die Räder zu bekommen. Es sind zwar schon etliche Autofahrer angehalten und haben ihre Hilfe angeboten. Mehrere haben versprochen Polizei und Abschleppdienst zu informieren sobald sie Netz haben. Ob sie das gemacht haben und ob dann der Abschlepper sich heute am Sonntagnachmittag auf den 80 km langen Weg hierher macht erscheint uns doch sehr fraglich. Also....selbst ist der Mann. Meine Mithilfe beschränkt sich aufs Kaffee kochen. Die beiden Offroad Erfahrenen überlegen wie sie den Wagen wieder aufstellen und kommen zu dem Schluss das, um den Toyota sicher wieder auf die Räder zu stellen, ein weiteres starkes Fahrzeug benötigt wird. Wir warten, irgendwann wird schon einer vorbei kommen. Um die Aktion vorzubereiten werden Abschleppseile befestigt, Gert macht die Seilwinde startklar. Das Schotterbett wird ausgeschachtet damit der Toyo beim Aufrichten möglichst gerade landet. Nach einer guten Stunde kommt dann Hilfe. Der weiße Defender aus Frankreich. Das ist auch ein ziemlicher Glücksgriff. Jeder der Drei weiß was er zu tun hat und Ruck Zuck, unter dem Beifall einiger Schaulustigen, steht der Toyo wieder aufrecht. Und oh Wunder, außer dem durch den Spiegel eingedrücktem Seitenfenster ist alles heil. Am Schluss kommt dann auch noch die Polizei. Die sind total freundlich und wollen eigentlich nur wissen ob jemand verletzt ist und ob sie einen Abschlepper bestellen sollen. Der war also doch noch nicht informiert..da hätten wir lange warten können. Nach vielen guten Wünschen schleppen wir Walter an einen Übernachtungsplatz am Fluss. Hier schrauben die Beiden und stellen fest ...alles ist Gut ,kein Öl in die Brennkammer gelaufen. Der Motor wird gestartet und springt ohne zu murren an. Chris würde sagen „ Toyo halt“
Am nächsten Abend treffen wir uns in Cochrane wo Walter es sich nicht nehmen lässt uns zum Essen einzuladen. Übrigens der Eco Campingplatz an der Ruta 7 ist sehr empfehlenswert. Neben total sauberen Bädern kann man hier auch frisches Gemüse und Eier kaufen. Hier in Patagonien ist frisches Gemüse echt Mangelware.
Sehr, sehr beeindruckend schön! Bei so viel berauschenden Eindrücken müsst ihr doch sicher aufpassen, dass sich das Rechenzentrum nicht aufhängt!? Sensual overkill...😂
Ohla companjeros 🤠
Wie ist es den so mit den Grenzübergängen? So chaotisch wie früher von Niederlande > Deutschland 🤭? 🖖
Das finden wir sehr gut. Es ist nicht selbstverständlich. Aber wenn man so wie ihr unterwegs ist ,dann sollte das selbstverständlich sein. Toll Großartig.
Wir waren schon sehr gespannt auf euren Reisebericht. Und wir sind nicht enttäuscht worden. Der Bericht mit dem einfachen Dorf hat uns sehr nachdenklich 😔 gemacht.
Was das Auto angeht, da sieht man mal wieder,wenn man zusammen hält, kriegt man es auch hin .Toll, auch die Fotos, klasse. Bleibt gesund, kommt gut voran. LG Wolfgang und Dorethee