Die Carretera Austral bis Puerto Montt
- Birgit & Gert Gölz
- 1. März 2023
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 7. März 2023
23. 01. bis 21.02.2023
Ab Cochrane sind es noch über 1000 km bis zum Ende der Carretera Austral in Puerto Montt. Die Straße folgt jetzt dem Rio Baker, der sich leuchtend türkis durch die anfangs karge Steppe windet und dann in schäumenden Stromschnellen durch grüne Wälder fließt. Sie führt vorbei am Lago Bertrand mit seiner unglaublichen Farbe. Hier entspringt der Rio Baker der wasserreichste Fluss Chiles.
Dann bieten sie uns über viele Kilometer grandiose Ausblicke auf den Lago General Carrera umgeben von schneebedeckten Gipfeln der Anden. Der See liegt in Form einer Krake zwischen Chile und Argentinien und nur der Hauptarm ist 180 km lang. Damit ist er der größte See Chiles. Es ist eine Straße der Superlative.
Bei Puerto Tranquilo fahren wir mit dem Kanu zu den Marmorkathedralen. Wir haben Glück und erwischen einen der wenigen windfreien Tage. Die Sonne scheint und der glasklare See liegt glatt wie ein Spiegel. Es ist wunderbar wie sich das Licht in den von Wind und Wellen in den Fels geformten Säulen und Höhlen reflektiert.
In Puerto Tranquilo machen wir einen Abstecher, um durch das Valle de Exploradores zu fahren. Eine 80 km lange Piste verbindet den Ort mit dem Pazifik und führt durch eine so wahnsinnig schöne Landschaft, dass wir kaum vorankommen, weil wir immer wieder anhalten, um diese Ausblicke zu genießen. Da stehen wir dann oft völlig still und überwältigt von so viel Schönheit.
Die Piste führt durch dichte Wälder mit knorrigen alten Bäumen, mannshohen Farnen und die noch höheren Nalcablätter, am Straßenrand stehen über Kilometer verblühte Lupinen. Vor 2 Wochen muss das hier ein Blütenmeer gewesen sein. Dann geht es vorbei an Lagunen und ausgedehnten Sumpfgebieten, auf den Bergen, der Höchste hier ist fast 4000 m hoch, blinkt ab und zu bläulich leuchtend ein Gletscher. Am Gletscher Exploradores können wir vom Nationalparkhaus zu einem Mirador wandern. Der Blick von hier auf den ehemals imposanten Gletscher ist allerdings die Mühe des Aufstiegs nicht wert. Der Gletscher ist in den letzten Jahren stark geschmolzen und wir sehen nur ein Stück dreckiges Eis und davor ein großes steiniges Trümmerfeld.
Wieder unten geht es durch eine wilde fast unberührte Natur.
Mittendrin springt plötzlich ein Mann auf die Straße und ruft uns in tiefstem bayrischem Slang zu das wir doch mal anhalten sollen. Es ist Thomas, der zusammen mit seiner Frau Katrin mitten in der Wildnis das Hostel Campo Alacaluf betreibt. Die Beiden haben vor 20 Jahren der Zivilisation den Rücken gekehrt und sich in dieser Wildnis ein Haus gebaut. Mit dem über eine Wasserturbine erzeugten Strom leben sie hier autark. Es gibt kein Fernsehen, kein Internet. Um die Buchungen für das Hostel zu checken, fährt Thomas 44 km in die Stadt. Zweimal im Jahr reisen sie in das über 100 km entfernte Coyhaique zum Großeinkauf, für die alltäglichen Dinge wie Tanken usw. müssen sie ins 44 km entfernte Puerto Tranquillo. Hier lebt während der Schulzeit auch ihre 12jährige Tochter bei Freunden. Für eine begrenzte Zeit könnte ich mir gut vorstellen so zu leben aber nicht auf Dauer. Andererseits wird es auch für viele unverständlich sein das es unser Traum ist den großteil des Jahres auf 5 qm in unserem Landy zu wohnen.
Wieder zurück in Puerto Tranquilo feiern wir im besten Haus am Platz, dem Casa Bruja, meinen Geburtstag.
Weiter auf der Ruta 7 geht es durch hohe Berge und bei Villa Cerro Castillo bieten die bizarren, schroffen Felsen des gleichnamigen Berges, einen imposanten Anblick. Das kleine Städtchen gibt sich alle Mühe sich herauszuputzen. Die Häuser sind einfach und klein aber im Gegensatz zu vielen anderen Orten farbig gestrichen und nett dekoriert. Die Gärten davor sind schön gestaltet. Es gibt wenige kleine Lädchen und Cafés. Mehrere Hostels und einfache Cabanas. Von hier starten die Klettertouren auf die Gipfel des Cerro Castillo allerdings ohne uns. Wir machen hier Pause in einem kleinen Café. Es gibt frisch gebackenen Kuchen den wir uns in dem nett angelegten Garten schmecken lassen. Anschließend schlendern wir noch über den Markt. Hier wird neben verschiedenen Handarbeiten selbstgemachte Marmelade und Honig angeboten. Eine Musikgruppe spielt Volksmusik, die Sonne scheint wir fühlen uns sauwohl. Als wir weiter fahren wollen ist die Straße gesperrt für eine Folklorevorführung . Festlich gekleidete Gauchos präsentieren sich mit ihren Pferden, dann zeigen einige Tanzpaare ihr Können.
Irgendwann verändert sich die Landschaft in von Bergen umgebene satte grünen Wiesen. Wir fühlen uns wie in der Schweiz. Hier sehen wir das erste Mal größere Landwirtschaft, es ist gerade Heuernte.
An unserem Übernachtungsplatz beobachten wir am Abend eine Herde Pferde von ihrer Koppel traben, sie durchqueren den Fluss und wandern auf der anderen Seite zielstrebig weiter. Kurz bevor es dunkel wird, kehren sie dann zurück, trinken und wälzen sich im Sand bevor sie es sich auf ihrer Koppel für die Nacht gemütlich machen. Das tun sie anscheinend völlig selbstständig, ich habe keinen Menschen gesehen. Wir sind anscheinend im Paradies für Pferde.
Ab Coyhaique begegnen uns immer mehr Reisende auf unserem Weg. Die Straße ist ab hier asphaltiert. Welch eine Wohltat für uns und unseren Landy. Denn auf lange Strecken wirklich übelster Wellblechpiste hat es uns ganz schön durchgerüttelt.
In Coyhaique, das ist die größte Stadt an der Carretera Austral bleiben wir nur einen Tag um einzukaufen. Dafür kommen anscheinend auch viele Andere aus dem Umland hierher. An den Kassen des großen Supermarktes stehen lange Schlangen mit bis oben gefüllten Einkaufswagen. Es geht überhaupt nicht voran. Na super, denke ich, etwas schneller könnten die Damen an der Kasse ja vielleicht doch arbeiten. Als diese dann aber in Sicht kommen bin ich mal wieder überwältigt von der Gelassenheit der Chilenen. Da wird ganz entspannt die Ware auf dem Band an der Kasse gestapelt, dann abgewartet bis alles abgezogen wird. Das passiert ziemlich zügig, der Kunde bezahlt und verstaut anschließend das Eingekaufte ganz ordentlich in aller Ruhe in die mitgebrachten Taschen. Ich krieg die Krise aber den Rest der Menge kratzt das überhaupt nicht. Ich hab in dem Laden 90!!!! Minuten nur an der Kasse gestanden.
Puyuhuapi, 230 km später, ist ein kleiner Ort an einem Fjord. Vier sudetendeutsche Junggesellen haben sich 1935, als Vorhut einer größeren Gruppe Auswanderwilligen, hier niedergelassen. Da Aufgrund des vielen Regens Landwirtschaft nicht möglich ist, gründete Walter Hopperdietzel eine Teppichmanufaktur die bis vor wenigen Jahren noch erfolgreich produzierte. Heute braut sein Sohn Bier.
6 Kilometer vor dem Ort genießen wir an einem regnerischen und kalten Tag das warme Wasser der Therme.
Ein warmes Bad mit Blick auf den Fjord in dem ab und zu ein Delfin durchs Wasser zieht....
Tags drauf scheint wieder die Sonne und wir fahren in den Nationalpark Queulat. Dort gibt es einen Campingplatz und wir wollen hier zum hängenden Gletscher wandern. Es geht über Stock und Stein durch den Regenwald. Riesige Bäume, Baumfarne und Fuchsien stehen hier. Diesmal hat sich der Weg gelohnt, der Blick auf den Gletscher mit dem Wasserfall ist beeindruckend auch wenn wir etwas anstehen müssen um ihn zu genießen.
Weitere 50 km nördlich zweigt eine Straße ab zum Pazifik. Sie endet in Raul Marin Balmaceda, dahin zu fahren wurde uns von anderen Reisenden empfohlen.
Der Weg war mal wieder der Hammer. Er führt durch schönsten Naturwald am Rio Palena entlang
Um das kleine Hafendorf zu erreichen setzen wir mit einer Fähre über den Fluss.
Das Dorf ist beschaulich, die Häuser ärmlich. Der Platz am Meer ist unbezahlbar schön. Wir sehen viele Delfine. Leider stürmt und regnet es den ganzen Tag und wir beschließen am nächsten Tag zurück zu fahren.
Auf der Ruta 7, 120 km weiter in Richtung Norden, liegt der südliche Teil des Nationalpark Pumalin. Der Park wurde gegründet von Douglas Tompkins. Das ist ein Mann dessen Geschichte uns fasziniert.
Tompkins, erfolgreicher Geschäftsmann war Mitbegründer von Esprit und Gründer von North Face, verkaufte seine millionenschweren Anteile dieser Firmen und beschloss die fortschreitende Zerstörung der Natur in Patagonien verhindern. Zusammen mit seiner Frau kaufte er 825 000 ha Land verteilt in Patagonien und Feuerland. Er verhinderte Projekte die das unwegsame, unbesiedelte Land für die Wirtschaft nutzbar machen wollten, in dem er den Bau von Straßen die durch seine Gebiete führen sollten verhinderte. 30 Jahre haben ihm seine Gegner alle möglichen Verschwörungstheorien angedichtet. 2015 starb er bei einer Kanutour auf dem Lago Carrea. Seine Frau vermachte 2018 dieses Land dem chilenischen Staat mit der Auflage alles als Naturschutzgebiet zu erhalten. Die damalige Regierung gründete zusammen mit der Witwe Tompkins und deren Stiftung das Netzwerk der Nationalparks im chilenischen Patagoniens. Das bedeutet das heute 45 Millionen Hektar Land unter Naturschutz stehen. Auch so kann man sich unsterblich machen.
20 km weiter erreichen wir Chaitén. Hier endet für uns die Carretera Austral. Von hier bis Puerto Montt gibt es 2 Seen die wir mit der Fähre überqueren müssten. Die sind jetzt in der Hauptsaison ziemlich ausgebucht und so werden wir von Chaitén nach Quellon in den Süden der Insel Chiloé übersetzten.
War die Fahrt auf der Carretera Austral jetzt ein Abenteuer?
Der Landy hat schwer gelitten, die Aufhängungen der Stoßdämpfer sind ausgeschlagen, Radlager müssen eingestellt werden. Durch den Staub müssen auch alle möglichen Filter gereinigt oder gewechselt werden. Wie gut das Gert den Landy in- und auswendig kennt und mir wird klar, warum in jedem noch so winzigen Stauraum unserer Kabine, Werkzeuge und Ersatzteile liegen.
Wir haben wie auch schon vorher die wenig besiedelte oft überwältigend schöne Natur sehr genossen aber spätestens nach dem Umfall des Toyota ist uns bewusst das wir im Notfall nicht mal eben anrufen können und in wenigen Minuten ist Hilfe da, so wie wir es von zu Hause gewohnt sind. Hier muss man sich selbst helfen. Was uns aber auf der Reise immer wieder begegnet ist die große ganz selbstverständliche Hilfsbereischaft. Wir haben uns immer sicher gefühlt.
Liebe Birgit, ich musste sehr lachen bei der Vorstellung, dass Du schnaubend zwischen einem Haufen entspannter Chilenen standest. Ich hätte da ein paar meditative Übungen aus dem Yoga, die helfen die Zeit zu überbrücken ;-) Ist gesünder als in den Widerstand zu gehen :-)
Gruß und Kuss aus dem hohen, einmal mehr verschneiten Norden, Kerstin
Habt weiterhin eine super Zeit 🕰
Hallo ihr Zwei, danke schön für den wunderschönen Reisebericht von euch. Es war spannend zu lesen was ihr so 😌 erlebt habt.
Und erst die Fotos von euch, großartig. Wir wünschen euch weiterhin gute Fahrt. Bleibt gesund. LG Wolfgang und Dorethee
Da wir auch in der warmen Sonne sitzen, lassen sich Eure schönen Bilder und Reisegeschichten leichter lesen! 😉
Viele Grüße von den Kanaren!
Hallo Ihr Zwei Weltenbummler. So toll Wie ihr alles so schreibt.Man fühlt als wäre dabei bei Euch